Schlaglöcher

… wie eine Straße voller Kurven und Schlaglöcher …

Eine ganz normale Familie auf Radtour in Norddeutschland. Unbeschwerte Sommerferien bei schönem Wetter. Eltern und Kinder kommen nach tagelanger Reise fröhlich bei Freunden an. Doch wie ein Blitz aus heiterem Himmel erleidet der Vater einen schweren Herzinfarkt.

Von diesem Moment an ist alles anders. Nach dem Schock folgen Angst und Sorge, langdauernde Therapien in Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen und ein Familienalltag, der alles andere als normal ist. Die Mutter – hier heißt sie Barbara – muss für ihren schwerkranken Mann, ihre Kinder, ihren Job gleichzeitig da sein. Sie muss  weit fahren, um ihren Mann zu sehen, sie muss mit Ärzten reden und mit Krankenkassen verhandeln,  Zeit für die die Töchter im Teenager-Alter aufbringen und unendlich vielen anderen Verpflichtungen nachkommen.

Eine extreme Belastung. Abends schreibt sie E-Mails an Freunde und Verwandte, Rundbriefe auf dem Computer, damit sie nicht jedem Einzelnen am Telefon schildern muss, was gerade in ihrem Leben los ist. Zum Glück gibt es sie: Menschen, die ihr beistehen, die Anteil nehmen und Hilfe leisten. Die da sind, wenn sie gebraucht werden. Und die auch wissen, wann es besser ist, im Hintergrund zu bleiben. Von diesen Menschen fühlt Barbara sich gestärkt und getragen.

Jahre später lernen wir uns kennen. Barbara erzählt mir ihre Geschichte. Sie möchte ein Buch schreiben und veröffentlichen, weiß aber nicht, wie. Es soll ein Ratgeber werden, damit andere Betroffene von Barbaras Erfahrungen lernen können. Oder soll das Buchprojekt vielleicht doch „nur“ rein privat sein, ein persönliches Vorhaben, damit sie selbst mit der schwierigen Lebensphase endlich abschließen kann? Barbara entscheidet sich für die private Lösung.

Wir überlegen gemeinsam, dass ihre Rundmails den Kern bilden sollen und weitere Texte von ihr und mir als Ergänzung hinzukommen. Ich arbeite alles zu einem Tagebuch um – Barbaras Tagebuch. Wir ziehen eine Grafik-Designerin hinzu, die sich um eine ansprechende Gestaltung kümmert, und lassen 50 Exemplare drucken, schöne Bücher mit hochwertiger Ausstattung. Barbara verschenkt sie nach und nach an die Freundinnen und Freunde, an Verwandte und andere Helfer, die ihr in der schweren Zeit geholfen haben, als Dank.

Was bedeutet ihr das Buchprojekt persönlich? „Mir hat es geholfen, die Ereignisse im Rückblick nochmals wahrzunehmen und zu würdigen, um sie zu verarbeiten und Heilbringendes in Bewegung zu setzen. Das brauchte seine Zeit.“ So steht es im Vorwort.

Und woher kam die Idee für den Titel? „ Die Folgen des Herzinfarktes erschienen mir damals (und auch noch heute) wie eine unübersichtliche, lange Straße voller Kurven und Schlaglöcher. Oft wusste ich nicht, wie es weitergehen würde. Mal fehlte mir jegliche Orientierung, mal gab es eine Unzahl von Verkehrsregeln und Vorschriften, dann wieder Risse und Lücken in der Fahrbahn. So ähnlich ist auch dieses Buch geworden: Es hat Lücken, Sprünge und Löcher. Ein Grund dafür ist auch, dass ich hier nicht alles ausbreiten möchte, was mich innerlich bewegt hat.“