Generation Krieg

Alles war in seinen Erinnerungen ein bisschen schöner als in Wirklichkeit, es war seine Art, damit fertigzuwerden. Beides beschäftigte mich: die Sachen, die er erzählte, und die, die er verschwieg.

(Kris van Steenberge)

Unsere Väter waren Soldaten. Über ihre Kriegserlebnisse haben die wenigsten gesprochen. Wir haben es ihnen auch nicht immer leicht gemacht. Jetzt sind die meisten von ihnen verstorben.

Wir sind älter geworden. Die Verhältnisse haben sich verändert. Unsere Einstellungen zu unseren Eltern und Großeltern sind heute andere als zu der Zeit, in der wir jung waren und ihnen kritische Fragen stellten. Vielleicht sind wir behutsamer geworden, sensibler für das, was ihnen widerfahren ist und was ihr ganzes Leben entscheidend geprägt haben muss. Vielleicht ist die Zeit reif, sich neu der Frage zu stellen: Was haben unsere Väter und Großväter im Krieg gemacht? Wo waren sie? Was haben sie dort getan? Was haben sie erlebt, erlitten, angerichtet?

Ich habe viele persönliche Gespräche mit den alten Männern meiner großen Verwandtschaft führen können. Sie erzählten mir von Erlebnissen, über die sie bisher kaum gesprochen hatten. Sie waren während des Zweiten Weltkrieges Bordfunker, Artillerieoffizier, Nachrichtenmann, Kradschütze, Infanterist oder Flakhelfer. Sie trugen Waffen und setzen sie ein. Sie eroberten fremde Länder, die nicht erobert werden wollten. Sie waren Teilnehmer in einem Krieg, den sie vermutlich nicht herbeigewünscht hatten. Und an dessen Folgen sie schwer zu tragen hatten.

Neben diesen persönlichen Erzählungen aus erster Hand habe ich im Lauf der Zeit von meiner Großfamilie viele andere wertvolle Dinge bekommen: Fotos und Dokumente und dazu viele weitere Berichte von Tanten und Onkeln, Cousins und Cousinen und entfernteren Verwandten. Zusammengenommen ist das ein großer Stoff, eine Unmenge an erlebten Geschichten, ein kleines Vermächtnis der „Generation Krieg“.

So einmalig und besonders diese Geschichten aus meiner Familie sind, so typisch sind sie womöglich. Andere Menschen aus dieser Zeit haben ähnliche Erfahrungen gemacht. Und haben sie ähnlich in sich eingekapselt, still und schweigsam.

Darüber schreibe ich mein nächstes Buch. Es erscheint 2019. [PS, im August 2019: Jetzt ist es tatsächlich fertig.]