Ein Tag, der mein Leben veränderte

Aber das werden Sie sowieso nicht schaffen ...

So hieß ein Thema in unserer Veranstaltungsreihe „Erzählsalon“. Karin Gottheil wurde dadurch inspiriert, ein Buch über ihr Leben zu schreiben.

Karin Gottheil, Jahrgang 1964, musste feststellen: „Ich entsprach nicht der Norm. Meine linke Seite war defekt. Das wurde mir zum ersten Mal schmerzlich bewusst, als ich versuchte, mir für den Kindergarten die Schuhe zu binden. Es ging einfach nicht, ich bekam die Schleife nicht hin. Ich konnte weder die linke Hand bewegen noch das Beinchen anheben.“

Als Kind musste sie begreifen, dass sie einen Spitzfuß und eine Spastik hat und was das bedeutet. Sie musste mit der Enttäuschung über eine fehlgeschlagene Operation leben. Sie fühlte sich oft entmutigt und unzufrieden, auch dann noch, als sie schon längst einen Beruf erlernt hatte und darin weiterkommen konnte.

Über die Zeit nach ihrem 50. Geburtstag sagte sie: „Es ging es mir richtig schlecht. Die Spastiken begannen auch rechts und es bestand der Verdacht, dass ich Multiple Sklerose haben könnte.“

Dann kam der Tag, der ihr Leben veränderte. Ein Arzt gab ihr neue Empfehlungen dafür, wie sie durch ihr eigenes Verhalten etwas für ihre Gesundheit tun könnte und fügte gleich hinzu: „Aber das schaffen Sie sowieso nicht.“

Das war wieder eine Entmutigung, doch diese brachte die Wende. Karin Gottheil suchte sich Hilfe „für Körper, Geist und Seele“. Sie fand Therapeutinnen, die sie darin unterstützten, mit ihrer Behinderung zu leben und eine positive Lebenseinstellung zu entwickeln.

Über diesen langen Weg, den sie gegangen war, berichtete sie in bemerkenswerter Offenheit im Erzählsalon. Wir erlebten eine starke Frau, die selbstbewusst und humorvoll über ihre persönliche Entwicklung sprechen konnte. (AZ-Bericht zum Nachlesen)

Eine Therapeutin gab ihr Schwung für den nächsten Schritt: ihr Buchprojekt. „Ich konnte zwar gut erzählen, sah mich aber nicht in der Lage, es so aufzuschreiben, dass es einen Leser fesselte. Mir fehlte das Handwerk von ... keine Ahnung. Jedenfalls das Fundament für einen packenden, längeren Text. Also ging ich ins Internet, googelte und suchte mir Hilfe.“

Eine Ghostwriterin half ihr schließlich auf die Sprünge. „Ich habe ihr mein ganzes Leben erzählt. Meine Kindheit, Ausbildung, der Sport. So wie ich geworden bin, wie ich heute bin", sagt sie. Heute habe sie „ein völlig neues Bewusstsein. Das Leben kann so spannend sein, wenn der Betroffene die Opferrolle hinter sich lässt.“

Karin Gottheil hat ihr Buchprojekt abgeschlossen. Sie bleibt aktiv: In ihrer Freizeit engagagiert sie sich im Sportverein für die Belange von Menschen mit Behinderung. Und: Sie malt. Das Bild oben ist selbstverständlich von ihr.

Karin Gottheil: Mein wundervolles Spastik-Buch, AAVAA Verlag, ISBN 978-3-845-91960-7, 191 Seiten, EUR 11,95